Im abgelegenen Norden Afghanistans – 2. Endlich mal viel Kohle!

Wie versprochen, befasst sich der nächste Teil des Berichts über meinen Aufenthalt im Norden Afghanistans mit dem Kohlebergbau im Tal von Aukhorak. Sinn und Zweck der Reise war es schließlich, das „Kohleteam“ des Afghanistan Geological Survey (AGS) bei seiner Arbeit zu unterstützen. Das Team beschäftigt sich mit den Kohlevorkommen, die hauptsächlich im Norden des Landes zu finden sind. Wer sich über die Lage und die Geologie dieser Vorkommen näher informieren möchte, sollte die Website des USGS aufsuchen. Im unteren Bereich der Seite findet sich eine kurze geologische Beschreibung der Vorkommen im Aukhoraktal.

Geologie_Diskordanz 02

Bild 1. Das obere Aukhoraktal mit dem Dorf Sheikani in der rechten Bildmitte; links vorne ein Teil des Arbeitsgebiets

Die bergmännischen Aktivitäten kann man in legale und illegale unterscheiden, d.h. nach Vorhandensein einer staatlichen Abbaulizenz. Diese liegt für das Bergwerk der Northern Coal Enterprise vor, ein Staatsbetrieb, der sich in der Privatisierungsphase befindet. Das Unternehmen betreibt erst seit etwa zwei Jahren ein Bergwerk im Tal von Aukhorak.

NCE Bergwerk Aukhorak_von Osten gesehen

Bild 2. Das Bergwerk Aukhorak der Northern Coal Enterprise. Am rechten Bildrand ist das noch nicht fertiggestellte Hauptgebäude zu sehen.

Das Bergwerk besteht aus einem in örtlicher Bauweise und mit typischen Materialien errichteten Hauptgebäude, mehreren Containern, in denen u.a. eine Werkstatt untergebracht ist, und einer Kohlehalde (Bild 2), hinter der sich die beiden Mundlöcher befinden. Eines davon, Adit 1, ist auf Bild 3 zu sehen.

NCE Bergwerk Aukhorak_Adit 1Bild 3. Das Mundloch (Adit) von Stollen 1 mit Gleisanlage und mit Kohle beladenem Förderwagen (Hunt), der von drei Bergleuten geschoben wird. Rechts ist Grubenholz zu sehen, das für den Ausbau der Vortriebstollen benötigt wird.

Der hellblaue Rahmen ist das einzige Stück Metall, das für das Bergwerk verwendet worden ist. Die im Berg aufgefahrenen Strecken sind alle mit Holz abgestützt. Was nicht nachteilig ist, denn im Unterschied zu Metall kündigt sich bei Holz ein Bruch durch Überlastung an: Der Balken zersplittert nach und nach. Bei regelmäßiger Kontrolle kann die Überbelastung rechtzeitig erkannt und der Bereich durch den Verbau weiterer Stützbalken verstärkt werden. Im Gegensatz dazu sind Brüche im Metall mit dem Auge kaum zu erkennen.

Dennoch ist es in dem jungen Bergwerk bereits zu einer großen Tragödie gekommen. Vor etwa einem Jahr hat sich eine Methangasexplosion ereignet, durch die 23 Bergmänner getötet worden sind.

NCE Bergwerk Aukhorak_Bergmannsgräber

Bild 4. Fahnen wehen über den Gräbern der Bergleute, die in der Kohlengrube von Aukhorak umgekommen sind.

Die Grube beschäftigt untertage sechzig Bergleute im Einschichtbetrieb. Pro Tag werden 50 bis 70 Tonnen Kohle gefördert. Maschinen werden dabei kaum eingesetzt. Eine mit Motorkraft betriebene Winde habe ich gesehen, mit der die Hunte aus dem Abbaubereich hochgezogen werden (Bild 5), denn der Stollen fällt mit ca. 20 Grad in den Berg.

NCE Bergwerk Aukhorak_Im Mundloch 1

Bild 5. Im Adit 1. Gut zu sehen ist der Ausbau mit Holz. Der leere Hunt fährt,  von einer Seilwinde gebremst, vom Eigengewicht getrieben in den Abbaubereich hinunter. Dort unten soll es angeblich eine künstliche Bewetterung (Belüftung) geben.

Unten hauen die Bergleute die Steinkohle aus dem Berg und füllen sie in Säcke ab, die auf dem Förderwagen gestapelt werden. Die Bergmänner leeren die Säcke auf die Halde (Bild 1), an deren Fuß andere Männer damit beschäftigt sind, Kohle auf Lastwagen zu schaufeln (Bild 6).

NCE Bergwerk Aukhorak_Beladen der Kohlelastwägen

 Bild 6. Das Beladen der Kohlelastwagen

Die Kohle wird nicht gewaschen oder sortiert, sondern geht unbehandelt auf zum Teil abenteuerlicher Strecke (siehe Bild 6 im ersten Teil des Berichts) nach Kabul. Wir haben einen Sack dieser Kohle in unserem Ofen verfeuert und ich kann sagen, dass die Kohle ziemlich schlecht ist. Beim Saubermachen des Ofens habe ich immer Siltsteinbrocken gefunden. Nachdem die Kohle, von der der Kern ummantelt war, verbrannt war, blieb das unbrennbare Material übrig. Es wird also nicht nur Kohle gefördert, sondern auch die damit vergesellschafteten Gesteine. Damit einige Worte zur Geologie. (Nichtgeologen können den folgenden Einschub überspringen. Der Einschub endet nach Bild 8.)

Einschub: Die Geologie der Kohlevorkommen im Norden Afghanistans

Anders als in Europa und Nordamerika befinden sich die Kohlevorkommen Afghanistans im Wesentlichen in jurassischen Sedimentabfolgen. Genaue Datierungen und detaillierte stratigraphische und sedimentologische Untersuchungen sind bis heute nicht durchgeführt worden. Das Alter der kohleführenden Einheiten wurde mithilfe von Pflanzenfossilien bestimmt. Es variiert je nach Region zwischen Unterem und Oberem Jura, mit einem Schwerpunkt im Unteren und Mittleren Jura. Die vermutlich rein terrigene Abfolge besteht aus Konglomeraten, Sandsteinen, Siltsteinen, Tonschiefern und Ölschiefern. Die Mächtigkeit der Kohleflöze beträgt maximal 3,5 m, wobei es sich nicht um reine Steinkohleflöze handelt, sondern um Pakete aus Setinkohlelagen (die oft nur wenige Zentimeter mächtig sind), Öl- und Tonschiefern sowie Silt-und Sandsteinlagen (Bild 7).

Artesanal mining_adit

Bild 7. Mundloch eines Stollen. Gut zu sehen ist die von hellen Silt- und Sandsteinbänkchen unterbrochene kohlereiche Abfolge aus Kohlebändern, Ton- und Ölschiefern.

Das größere Bild zeigt, dass die jurassischen Sedimente auf einem prä-obertriassischen Grundgebirge aufliegen (obertriassische Gesteine wurden nur in lokal begrenzten Becken gebildet). Ein mächtiges Paket kretazischer Kalksteine und jüngerer Sedimentgesteine (mehrere 1000 m mächtig) liegt diskordant auf (Bilder 1, 8). Die jurassischen Klastika sind nur in Erosionsfenstern aufgeschlossen, die an Störungen gebunden sind.

Geologie_Diskordanz

Bild 8. Schräg gestellte, kohleführende jurassiche Sedimentgesteine, diskordant von kretazischen Kalksteinen überlagert

Neben den Bergleuten (Bild 9) des legalen Bergwerks gibt es aber noch weitere Leute, die Kohle abbauen. Diese stammen zum Teil aus denselben Dörfern.

NCE Bergwerk Aukhorak_Bergleute auf dem Weg zur Arbeit

Bild 9. Bergmänner nach der Mittagspause auf dem Weg zurück zur Arbeit

Die Aktivitäten der illegalen Bergleute beschreibe ich in einem eigenen Bericht, sonst wird das hier einfach zu lang.

3 Kommentare zu „Im abgelegenen Norden Afghanistans – 2. Endlich mal viel Kohle!

  1. Hallo, ich bin Student und schreibe gerade eine Arbeit über Gewinnungsverfahren im Steinkohlenbergbau. Können Sie mir mehr Informationen über die Arbeitsweise in der Aukhorak-Mine geben? Mit freundlichem Glückauf

    1. Lieber Maik Herzmann,
      über die Arbeitsweise in der Kohlegrube von Aukhorak gibt es nicht viel mehr zu schreiben als aus den Bildern erkenntlich wird. Im Vergleich zum deutschen Steinkohlebergbau ist sie furchtbar primitiv. Ich vermute, dass man hierzulande vor etwa 200 Jahren so gearbeitet hat. Die Kohle wird mit Muskelkraft aus dem Flöz gehauen und in Säcke verpackt, die dann zu einem Hunt gebracht werden. Die einzige Mechanisierung besteht darin, dass der Hunt mit einer motorbetriebenen Seilwinde zum Mundloch gezogen wird. Dort angekommen schieben ihn drei Bergleuten zur Halde (siebe Bild im Beitrag) um dort die Säcke zu leeren. Also fast alles Handarbeit! Für den Streckenausbau werden auch pneumatische Bohrhämmer verwendet.
      Falls Sie Bilder aus dem Beitrag verwenden möchten, tun sie das. Ich bitte Sie nur darum, mich immer als Quelle zu zitieren. Falls Sie noch weitere Fragen haben, dann melden Sie sich einfach wieder.
      Es freut mich sehr, dass meine kurzen Beiträge über meine Arbeit in Afghanistan im Internet bemerkt werden.

      Beste Grüße und Glückauf,
      Christoph Dobmeier

      1. Vielen Dank für die schnelle Antwort! Wird nur ein Stollen vorgetrieben oder zweigen untertage noch Abbaustrecken ab? Wenn ja, sind diese in einem erkennbaren System angelegt?

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